Wer sich mal die Mühe macht und im Supermarkt die Marketingtexte auf der Kaffeeverpackung durchliest, findet oft die gleichen wiederkehrenden Begriffe:
20 Minuten lang schonend geröstet. Langsam und sanft geröstet. Schonende Trommelröstung über 20 Minuten. Oder der mittlerweile schon als Klassiker geltende Spruch: Die schonende Langzeitröstung.
Klingt überzeugend, oder? Schonend. Niemand will einen brutal erhitzten Kaffee trinken.
Langzeit. Zeit ist für uns Menschen ein wichtiges Gut. Wenn sich eine Rösterei extra viel Zeit nimmt, Kaffee zu rösten, dann muss der Kaffee ja gut sein. Richtig?
Kann, muss aber nicht.
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Langzeit - wie lange ist lang genug?
Je nach dem verwendeten Rohkaffee und dem angestrebten Röstgrad dauert bei mir eine Röstung zwischen 12 und 15 Minuten.
Ist das eher lange oder kurz? Leider gibt es darauf keine einfache Antwort. Da hilft der Blick zu den anderen. Grosse Industrieröster, wie sie bei weltberühmten Kaffeeherstellern verwendet werden, können bis zu 600kg (oder noch mehr) pro Durchgang rösten. Diese Heissluftröster arbeiten mit extrem heisser Luft (bis zu 800°C) und rösten den Kaffee innert 2-5 Minuten. Diese superschnelle Röstung führt dazu, dass der Kaffee oft verbrannt ist und die Bohnen gebrochen sind. Das Schlimmste aber ist, dass sie oft nicht "durch" sind. Also aussen schön dunkel und innen nicht fertig geröstet.
Wir merken also, dass wir dem Kaffee etwas mehr Zeit geben müssen, um sich zu entwickeln. Gleichzeitig müssen wir auch die Temperatur drosseln, da wir ja schliesslich keine Kohle für die nächste Grillparty produzieren wollen.
Je kürzer desto schlechter, je länger desto besser?
Jetzt wissen wir also, dass eine ganz kurze und heisse Röstung nicht gut für die Bohne ist. Da könnte man sich doch dazu verleiten lassen, zu meinen, dass eine sehr lange Röstung sehr gut für die Bohne ist.
Wie in vielen Dingen, liegt auch hier die Wahrheit irgendwo in der Mitte, denn:
Die Kaffeebohne benötigt Wachstum, und das betrifft nicht nur ihre Grösse, sondern auch die Temperatur. Daher streben wir an, die Temperatur während des Röstens kontinuierlich zu steigern, zuerst mit einem schnelleren Anstieg und später mit einer langsameren Steigerung.
Und genau das passiert in der Rösttrommel. In den ersten Minuten nimmt die Temperatur extrem schnell zu - diese Geschwindigkeit der Temperaturzunahme wird in °C/min gemessen und nennt man auch "Rate of rise" (siehe Röstprofil ), kurz ROI.
Am Anfang noch bei ca. 20°C pro Minute, sinkt die Temperaturzunahme stetig, bis (im optimalen Fall) am Ende der ROI bei ca. 3-5°C liegt.
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Was man aber tunlichst vermeiden soll, ist, über eine längere Zeit den ROI bei 0°C /min zu halten, sodass die Bohnen nicht weiter an Temperatur zunehmen. Wird so geröstet, wird der Kaffee mit grosser Wahrscheinlichkeit pappig, brotig und flach schmecken - man spricht dann auch von "gebackenem Kaffee".
Würden wir nun die oben dargestellten Röstung "schonend" auf 20 min verlängern wollen, müssten wir
a) den Kaffee viel dunkler rösten, dann wird er aber viel zu dunkel, schmeckt bitter und verkohlt
oder
b) die Hitze während des Röstvorgangs früher reduzieren, dann haben wir am Ende einen gebackenen Kaffee
oder
c) mit einer niedrigeren Anfangstemperatur starten, was aber dazu führen kann, dass der Kaffee zu wenig Temperatur am Anfang aufnimmt und nie richtig "auf Touren" kommt.
Die schonende Langzeitröstung ist nichts anderes als (zu) langsames Rösten bei (zu) niedrigeren Temperaturen - klingt vielversprechend, bedeutet aber nicht eine höhere Qualität in der Tasse sondern ist einfach sehr gutes Marketing.
Bei kaffibär steht Qualität über Marketing.
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